Leitartikel Februar 2025; Stadträtin Brigitte Röösli
ZURÜCK INS ANALOGE LEBEN
In den letzten 30 Jahren hat sich die Welt drastisch verändert. Die digitalen Errungenschaften haben viele Abläufe vereinfacht und eröffnen uns neue Möglichkeiten. Wir sind immer und überall erreichbar. Es ist gut möglich, im Homeoffice oder der Ferienwohnung zu arbeiten. Für die private Dokumentenablage tut es eine Cloud, die 100 Bundesordner sind überflüssig geworden. Aufträge werden per E-Mail erteilt, Bestellungen online aufgegeben… Unvorstellbar, wie es vorher war.
Als ich vor gut 40 Jahren einmal ein Lager leitete, musste ich den Teilnehmenden eine wichtige Information weitergeben. Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals den rund 60 Kindern von Hand eine Postkarte geschrieben habe. Ja, es war mühsam, meine Finger schmerzten. Aber die Info erreichte alle rechtzeitig.
Heute hätte ich diese Aufgabe in 1–2 Minuten erledigt. Doch ob die Information tatsächlich alle erreichen würde, ist fraglich, werden wir doch zu oft mit unnötigen Informationen regelrecht zugedeckt. Mir fällt es teilweise schwer, alle Informationskanäle im Griff zu behalten und die wichtigen Mitteilungen von den unwichtigen zu trennen.
Viele haben diese Situation so satt, dass sie nicht einmal mehr eine WhatsApp oder eine E-Mail lesen, geschweige denn beantworten. In der Briefpost finden sich häufig nur noch Rechnungen oder Spendenbriefe, die liegen bleiben und vergessen werden. Umso schöner, wenn dann gelegentlich doch noch eine handgeschriebene Karte dabei ist.
Und trotz der technischen Errungenschaften haben wir alle immer weniger Zeit – es scheint, als würde sich mit jeder digitalen Erfindung das Rad der Zeit noch schneller drehen. Die Handys, die Playstations, die Netflixserien und Podcasts bestimmen unser Leben. Wir sind abhängig und können nicht mehr ohne die digitale Welt leben.
Deshalb erstaunt es nicht, dass psychische Belastungen zunehmen und es vielen Menschen schlecht geht. Denn wir brauchen einander – persönlich und echt. Unsere Gesellschaft muss wieder ins reale Leben zurückfinden.
Ein Weg dahin sind die Vereine, die Kirchen und die vielen Menschen, die auf irgendeine Art Freiwilligenarbeit leisten. In Illnau-Effretikon bestehen zum Glück noch viele dieser nicht profitorientierten Organisationen und Institutionen. Leider wird es zunehmend schwierig, diese Strukturen am Leben zu erhalten und die Ämter zu besetzen.
Meine Vision ist ein sich sorgendes Illnau-Effretikon, wo das Leben in der Stadt, in den Quartieren oder den Aussenwachten stattfindet. Wo die Menschen sich kennen, miteinander die Herausforderungen des Alltags teilen. Es sind die kleinen Dinge, die wir füreinander tun, die unser Leben bereichern. Doch dazu müssen wir einander kennen. Der Bereich Soziokultur der Stadt zeigt auf, wie es in einer Nachbarschaft gelingen kann, Menschen jeden Alters zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu animieren.
Denn dies ist für die Gesellschaft der Zukunft zentral. Die arbeitende Bevölkerungsgruppe wird die Pflege und Betreuung der zunehmenden Zahl an älteren Menschen nicht allein stemmen können. Und durch den Fachkräftemangel und die hohen Kosten wird es nicht möglich sein, alles im heutigen Mass durch den Staat sicherzustellen. Es braucht private Initiativen, an denen sich alle Generationen beteiligen, vor allem aber auch die bereits pensionierte Bevölkerungsgruppe. Wenn sich Menschen kennen, wenn sie positive Begegnungen miteinander haben, werden sie sich auch in schwierigeren Zeiten gegenseitig unterstützen, in der Nachbarschaft, ja vielleicht sogar durch die Mithilfe in einer unserer ehrenamtlich arbeitenden Altersorganisationen. Sind Sie mit dabei?
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